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„Verbot? Welches Verbot?“ – Wie Vuse mit McLaren, Instagram & Influencern an den Werberegeln vorbeifährt

Wenn man heute durch Social Media scrollt, sieht man auf den ersten Blick: Musik, Mode, Lifestyle – und plötzlich taucht zwischen all dem ein Name immer häufiger auf: Vuse. Vuse ist eine E-Zigarettenmarke, die dem Tabakriese BAT (British American Tobacco) gehört. Eigentlich dürften solche Marken gar nicht mehr groß Werbung machen. In der EU, in Deutschland und auch in Großbritannien gibt es klare Werbeverbote für Tabak und Nikotinprodukte. Doch die Realität zeigt: Mit ein paar cleveren Tricks lassen sich diese Verbote praktisch aushebeln.

Eine aktuelle Untersuchung hat genau das ans Licht gebracht: Durch die Partnerschaft mit dem Formel-1-Team McLaren und geschickte Social-Media-Strategien konnte Vuse seine Reichweite von gerade einmal rund 17.000 Followern auf fast 14 Millionen Menschen vergrößern. Und das, ohne auch nur einmal ganz direkt „Kauf mich!“ zu sagen.

Die spannende Frage: Wie ist das überhaupt möglich? Und was bedeutet das für Konsumenten, für den Jugendschutz und für die Debatte um Harm Reduction?


Hintergrund: Warum Werbung für Tabak und E-Zigaretten verboten ist

Seit Jahrzehnten sind Tabakprodukte Gegenstand harter Regulierung. In den 90ern verschwanden Zigarettenlogos aus dem Fernsehen, von den Fußballtrikots, aus der Formel 1. Der Grund war klar: Man wollte Jugendliche nicht mehr durch coole Sportstars oder Lifestyle-Inszenierungen zum Rauchen verleiten.

Mit E-Zigaretten sah es zunächst etwas anders aus: Sie wurden als Innovation betrachtet, teilweise als Hilfsmittel zum Rauchstopp. Doch sehr schnell übertrugen viele Länder die strengen Regeln auch auf E-Zigaretten.

Das bedeutet konkret:

  • Keine Fernsehwerbung.
  • Keine Radiowerbung.
  • Keine Plakatkampagnen.
  • Keine Sponsoring-Deals, die direkt Produktwerbung enthalten.
  • Online oft nur neutrale, „faktische“ Informationen erlaubt (z. B. auf einer offiziellen Website).

Klingt wasserdicht, oder? Doch Marketingabteilungen leben davon, Lücken zu finden – und genau das hat Vuse perfektioniert.


Das Geschäftsmodell von BAT und Vuse

British American Tobacco ist einer der größten Tabakkonzerne der Welt. Vuse ist seine globale E-Zigarettenmarke. Während die Zigarettenverkäufe weltweit zurückgehen, steigt das Geschäft mit „Next Generation Products“ – also E-Zigaretten, Nikotinbeuteln und Tabakerhitzern – rasant an.

BAT muss deshalb zweierlei gleichzeitig schaffen:

  1. Imagewandel – weg vom „bösen Tabakriesen“, hin zu einem modernen, innovativen Lifestyle-Konzern.
  2. Markenbekanntheit – Vuse soll nicht als Nischenprodukt gesehen werden, sondern als coole, globale Marke, die in der gleichen Liga spielt wie Red Bull oder Apple.

Und dafür brauchen sie Reichweite. Viel Reichweite.


Der Reichweiten-Trick: Von 17.000 zu 14 Millionen

Die nüchternen Zahlen sind beeindruckend:

  • Vuse hatte auf Instagram rund 17.000 Follower.
  • McLaren als Formel-1-Team hat fast 14 Millionen.
  • Durch das gegenseitige Taggen, Teilen und Posten von Inhalten, in denen McLaren und Vuse zusammen auftreten, springt die Vuse-Marke in eine ganz andere Liga.

Wenn also Vuse einen Beitrag macht und McLaren diesen teilt, erreicht die Marke nicht nur ihre eigene kleine Community, sondern das Millionenpublikum des Rennstalls. Genau diese Beiträge waren es auch, die am meisten Klicks, Likes und Shares erhielten.

Die Reichweite explodiert – ohne klassische Werbung, allein durch geschickte Partnerschaft.


Wie funktioniert das Umgehen der Werbeverbote?

Das ist die entscheidende Frage. Und die Antwort liegt in mehreren Ebenen.

1. Sponsoring statt Werbung

Offiziell tritt Vuse nicht als „E-Zigarette“ auf, sondern als Sponsor von McLaren. Auf Autos, Helmen oder Social-Media-Posts sieht man das Vuse-Logo. Juristisch wird das als Sponsoring oder Branding gewertet – nicht als klassische Produktwerbung.

2. Globale statt lokale Kanäle

In Großbritannien oder Deutschland sind die Regeln streng. Doch der Instagram-Account von Vuse nennt sich @Vuse.Worldwide. Er ist global, nicht an eine nationale Rechtslage gebunden. Die Inhalte werden in Ländern produziert, wo die Gesetze lockerer sind – sichtbar sind sie aber für alle.

3. Entertainment statt Produktinfos

Die Beiträge zeigen nicht: „Kauf Vuse, jetzt günstiger im Shop“. Stattdessen sieht man Lifestyle-Szenen, Musikfestivals, Künstler-Collabs, Boxengassen-Videos. Das Produkt ist nur nebenbei im Bild. Die eigentliche Botschaft ist: „Vuse steht für Innovation, Style und Kreativität.“

4. Influencer-Marketing mit schwacher Kennzeichnung

Von hunderten Influencer-Posts waren nur wenige korrekt als Werbung markiert (#ad). Für den Betrachter wirken die Posts deshalb wie private Lifestyle-Inhalte. In Wahrheit sind sie bezahlt – doch das sieht kaum jemand.

5. Marken-Identität statt Produktwerbung

Vuse präsentiert sich als Innovationsmarke. Es geht um Design, Technologie und Kunst. So kann man immer behaupten: „Wir bewerben nicht das Produkt, wir zeigen die Marke.“

6. Juristische Schlupflöcher

Viele Gesetze sind national gedacht. Doch Social Media ist global. Wer etwas in Mexiko postet, kann problemlos in Deutschland gesehen werden. Die Durchsetzung ist schwach, die Grauzonen groß.


Warum ist das so erfolgreich?

Ganz einfach: Es passt perfekt in die heutige Medienwelt.

  • Algorithmen lieben Hochglanz-Content: Formel-1-Videos, Festivalbilder, stylische Clips laufen auf Instagram und TikTok besser als jede klassische Anzeige.
  • Jugendkultur als Multiplikator: Musik, Mode, Nightlife – das spricht junge Erwachsene an, auch wenn offiziell keine Minderjährigen adressiert werden.
  • Emotionaler Sog: Wer Teil einer coolen Szene ist, verbindet automatisch die Marke mit diesem Gefühl.

Das Ergebnis: Vuse wird nicht als E-Zigarette wahrgenommen, sondern als Lifestyle-Label. Genau das macht den Unterschied.


Kritische Folgen und offene Fragen

Natürlich ruft das Kritik hervor – und zwar aus mehreren Richtungen.

1. Jugendschutz

Offiziell richtet sich Vuse nur an Erwachsene. Doch wer die Bilder sieht, merkt schnell: Festivals, Mode, junge Influencer – das ist genau die Welt, in die Jugendliche auch hineinschauen. Selbst wenn 16-Jährige die Produkte nicht kaufen dürfen, nehmen sie das Image mit.

2. Transparenz

Wenn Werbung nicht als Werbung gekennzeichnet wird, verliert der Konsument die Übersicht. Die meisten Nutzer glauben, es handle sich um „echte“ Lifestyle-Beiträge. Tatsächlich ist es bezahltes Marketing.

3. Glaubwürdigkeit der Regulierung

Die Gesetze sollen Werbung einschränken. Doch was nützt ein Verbot, wenn Marken über globale Schlupflöcher und Sponsoring trotzdem Milliarden-Reichweite generieren? Hier zeigt sich ein klassisches Problem: Das Internet ist global, Regulierung bleibt national.

4. Das Argument gegen E-Zigaretten insgesamt

Gegner von Harm Reduction haben durch solche Strategien ein gefundenes Fressen: „Seht her, das ist die gleiche Masche wie Marlboro früher – Jugendliche werden verführt!“ Diese Kritik schadet am Ende allen, auch denjenigen, die E-Zigaretten als ernsthafte Alternative zum Rauchen sehen.


Harm Reduction oder Marketing-Exzess?

Hier liegt der Kern der Debatte.

  • Pro Harm Reduction: E-Zigaretten sind für viele Raucher die beste Möglichkeit, von der Tabakzigarette wegzukommen. Sichtbarkeit, Coolness und breite Präsenz können helfen, mehr Menschen zu erreichen.
  • Contra Marketing-Exzess: Wenn E-Zigaretten so aggressiv über Lifestyle-Marketing platziert werden, verschwimmt die Grenze. Statt einer seriösen Alternative für Raucher wirken sie wie ein Trendprodukt für Jugendliche.

Das ist ein zweischneidiges Schwert. Eigentlich bräuchte es seriöse Aufklärung statt Hochglanzmarketing. Doch Konzerne denken in Reichweite – nicht in Gesundheit.


Was müsste passieren?

Viele Experten fordern eine klarere, globale Regulierung. Konkret:

  • Einheitliche Regeln für Social Media, egal in welchem Land ein Beitrag gepostet wird.
  • Strengere Kontrollen und Strafen bei fehlender Werbekennzeichnung.
  • Klare Abgrenzung zwischen Sponsoring und Produktwerbung.

Doch die Realität zeigt: Globale Konzerne sind oft schneller als die Gesetzgeber. Solange Milliardenbudgets hinter diesen Strategien stehen, wird Marketing immer neue Schlupflöcher finden.


Fazit: Ein Wettlauf, den die Politik kaum gewinnen kann

Das Beispiel Vuse ist ein Lehrstück für modernes Marketing. Auf dem Papier gibt es strenge Verbote. In der Realität schaffen es Konzerne mit Sponsoring, Lifestyle-Content und globalen Plattformen, ihre Produkte trotzdem einem Millionenpublikum zu präsentieren.

Die Reichweite von 17.000 auf fast 14 Millionen ist kein Zufall, sondern das Ergebnis eines Systems:

  • Partnerschaften mit großen Sportmarken
  • Globale Social-Media-Kanäle
  • Influencer ohne klare Kennzeichnung
  • Emotionale Einbettung statt sachlicher Werbung

Das Problem: Genau diese Strategien untergraben den Sinn der Werbeverbote. Offiziell wird kein Gesetz gebrochen – doch der Geist der Regulierung, nämlich Jugendschutz und faire Information, wird ausgehöhlt.

Am Ende bleibt die Erkenntnis:
Die Tabakindustrie hat gelernt, wie man in einer regulierten Welt trotzdem dominiert – nicht mehr mit Marlboro am Ferrari, sondern mit Vuse an McLaren.

Thomas Frohnert aka Steamshots ist leidenschaftlicher Dampfer, Technik-Enthusiast und Betreiber von steamshots.de. Seit über zehn Jahren setzt er sich intensiv mit dem Thema Dampfen und Harm Reduction auseinander. Auf seinem Blog teilt er fundierte Einblicke, ehrliche Reviews und praxisnahe Tipps rund um Aromen, Hardware und aktuelle Entwicklungen der Branche. Sein Ziel: Aufklärung ohne Hype – sachlich, verständlich und mit einem persönlichen Touch.

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