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Die Gateway-Lüge entlarvt: Neue Studie zeigt, warum Jugendliche wirklich konsumieren

Wenn Wissenschaft aufklärt, während Politik Angst schürt

Seit Jahren geistert sie durch Medien, Talkshows und Gesetzesentwürfe: die Idee, dass Jugendliche über E-Zigaretten „ins Rauchen abrutschen“. Der sogenannte „Gateway-Effekt“ klingt eingängig und einfach. Doch wie so oft bei einfachen Erklärungen für komplexe Probleme liegt darin der Denkfehler. Eine neue US-Studie, veröffentlicht im Fachjournal Drug and Alcohol Dependence (DOI: 10.1016/j.drugalcdep.2025.112716), stellt genau diese Theorie auf den Prüfstand – mit klarem Ergebnis: Der Mythos hält nicht stand.

Die Forscher untersuchten Daten von über 7.700 Jugendlichen aus den USA. Sie schauten nicht nur auf E-Zigaretten und Tabak, sondern auch auf Alkohol, Cannabis, psychische Gesundheit, familiäres Umfeld, Gewalt und andere Risikofaktoren. Das Besondere: Statt sich nur zwei Dinge herauszupicken und einen Zusammenhang zu vermuten, nahmen sie das ganze Bild in den Blick. Das macht die Ergebnisse so wertvoll.

Was zeigt die Studie wirklich?

Ja, es gibt einen Zusammenhang zwischen Dampfen und Rauchen. Aber: Der Konsum von E-Zigaretten hängt viel stärker mit Alkohol und Cannabis zusammen als mit Zigaretten. Und Raucher wiederum neigen eher zu anderen Tabakprodukten und härteren Drogen.

Und noch spannender: Wer raucht, fängt oft später mit dem Dampfen an. Nicht andersherum. Die Studie zeigt: Rauchen ist der bessere Vorhersagefaktor fürs Dampfen als umgekehrt. Die Idee vom „Einstieg übers Dampfen“ funktioniert also nicht. Es ist eher ein Ausstieg oder Wechsel.

Außerdem machen die Autoren klar: Wenn Jugendliche zu riskantem Verhalten neigen, dann betrifft das oft mehrere Bereiche gleichzeitig. Alkohol, Drogen, psychische Probleme – das sind keine losgelösten Phänomene. Sie gehören zu einem Gesamtbild, das man nicht durch das Verbot einzelner Produkte verändert.

Weg von der Panik, hin zur Vernunft

Die Forschungsmethode war alles andere als oberflächlich: Drei verschiedene Analysen wurden genutzt, um herauszufinden, wie das Verhalten von Jugendlichen miteinander zusammenhängt. Dabei zeigte sich ganz klar: Es gibt Cluster. Jugendliche, die dampfen, trinken eher Alkohol oder kiffen. Raucher wiederum nutzen häufiger klassische Tabakprodukte oder greifen zu härteren Substanzen.

Das heißt: Dampfen und Rauchen sind nicht automatisch aufeinanderfolgende Stationen. Sie entstehen oft in völlig unterschiedlichen sozialen Gruppen, mit unterschiedlichen Motiven.

Besonders stark: Die Studie testete ihre Vorhersagemodelle mit sogenannten Kreuzvalidierungen. Ergebnis: Das Modell, das vom Rauchen zum Dampfen geht, ist deutlich stabiler als das umgekehrte. Klare Kante gegen die Gateway-Theorie.

Warum konsumieren Jugendliche überhaupt?

Jetzt wird es spannend. Denn die wichtigste Frage ist nicht, ob Jugendliche konsumieren – sondern warum. Und hier zeigt sich: Es geht selten um den Geschmack oder das Design eines Produkts. Vielmehr geht es um Stress, Unsicherheit, fehlende Perspektiven oder Druck von außen.

Ein Jugendlicher, der dampft oder trinkt, tut das nicht, weil er Werbung gesehen hat. Sondern weil er nach Entlastung, Zugehörigkeit, Kontrolle oder Ablenkung sucht. Wer das ignoriert, wird immer wieder an Symptomen herumdoktern, ohne die Ursachen zu verstehen.

Wir sollten uns also fragen: Warum haben so viele junge Menschen das Gefühl, etwas kompensieren zu müssen? Warum fehlt es an echten Alternativen, an Räumen für Gespräche, Gemeinschaft, Halt? Wer diese Fragen nicht stellt, wird auch keine sinnvollen Antworten geben können.

Fazit: Weg mit den Mythen, her mit der Wahrheit

Die Studie von Selya und Kollegen räumt auf mit alten Vorstellungen. Sie zeigt: Der Zusammenhang zwischen Dampfen und Rauchen ist nicht das, was uns viele Schlagzeilen glauben machen wollen. Wer dampft, wird nicht automatisch Raucher. Und wer raucht, landet nicht unbedingt bei härteren Drogen. Es gibt Muster, ja. Aber die sind komplexer und vielschichtiger.

Was wir brauchen, ist weniger Populismus, weniger Panik und mehr ehrliches Interesse an den Lebenswelten der Jugendlichen. Statt mit immer neuen Verboten zu kommen, sollten wir zuhören. Statt in Aromen das Böse zu sehen, sollten wir in Gespräche investieren.

Denn am Ende geht es nicht um Nikotin. Es geht um Menschen.


Dieser Artikel basiert auf der Originalstudie von Selya, Niaura und Kim (2025). Alle Aussagen zur Studie beruhen auf dem DOI: 10.1016/j.drugalcdep.2025.112716. Die Interpretation der gesellschaftlichen Implikationen erfolgt redaktionell.

Thomas Frohnert aka Steamshots ist leidenschaftlicher Dampfer, Technik-Enthusiast und Betreiber von steamshots.de. Seit über zehn Jahren setzt er sich intensiv mit dem Thema Dampfen und Harm Reduction auseinander. Auf seinem Blog teilt er fundierte Einblicke, ehrliche Reviews und praxisnahe Tipps rund um Aromen, Hardware und aktuelle Entwicklungen der Branche. Sein Ziel: Aufklärung ohne Hype – sachlich, verständlich und mit einem persönlichen Touch.

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