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Der angebliche „Vape-Lungenskandal“ um LeeRay King – Warum die Story medizinisch nicht haltbar ist und was das Bild wirklich zeigt

Der Fall des neuseeländischen Teenagers LeeRay King geistert seit Tagen durch Boulevardmedien und Social Media. Die Schlagzeile ist perfekt designt für Angst und Viralität: Ein 17-Jähriger soll nach drei Jahren intensiven Dampfens eine „geschrumpfte, schwarze Lunge“ entwickelt haben. Ein Foto zeigt ein kleines, grau-braunes Gewebestück im Plastikbeutel – angeblich das „zerstörte Lungengewebe“. Influencer greifen die Story begeistert auf und erklären sie zur finalen Wahrheit über Vapes.

Screenshot

Doch wer einen Schritt zurücktritt, erkennt schnell: Diese Geschichte hält medizinisch nicht stand. Das Bild zeigt mit extrem hoher Wahrscheinlichkeit kein Lungengewebe, sondern operativ entferntes Narben- und Pleuralgewebe, wie es bei wiederholten Lungenkollapsen typisch anfällt. Die Behauptung, das Dampfen habe diese Masse „verfault“ oder „geschrumpft“, ist fachlich unhaltbar.


Was die Bilder wirklich zeigen

Der fotografierte Klumpen ist viel zu klein, zu kompakt und zu unstrukturiert, um Lungengewebe zu sein. Eine Lunge besitzt eine klare Architektur – Alveolen, Bronchien, Gefäße, elastisches Gewebe. Selbst krankhaft veränderte Lunge behält diese Struktur. Das, was wir hier sehen, ist jedoch ein dichter, bröckeliger, fibrotischer Gewebeklumpen.

Genau so sieht entferntes fibröses Gewebe aus, das bei Operationen nach wiederholtem Pneumothorax anfällt. Chirurgen entfernen dabei:

  • Narbengewebe an der Lungenoberfläche
  • verklebte oder verhärtete Pleura
  • alte Blutreste oder fibrinöse Anlagerungen

Das ist ein völlig normaler Eingriff bei Teenagern mit wiederkehrendem Lungenkollaps – und hat nichts mit „verwesten Lungen“ zu tun.


Warum Teenager überhaupt solche Probleme bekommen

Der wichtigste Punkt: Solche Operationen haben bei Jugendlichen klare, seit Jahrzehnten bekannte Ursachen, die mit Dampfen in der Regel nichts zu tun haben.

Die häufigste Ursache ist der sogenannte spontane Pneumothorax, der bevorzugt bei:

  • sehr schlanken
  • großen
  • schnell wachsenden
  • männlichen Jugendlichen

auftritt. Bei ihnen entstehen winzige Luftblasen (Bullae) an der Lungenoberfläche, die spontan platzen können. Die Lunge fällt zusammen, der Brustraum füllt sich mit Luft, und je nach Häufigkeit der Episoden entfernt man später vernarbte oder zerstörte Bereiche der Pleura.

Auch genetische Bindegewebsschwächen, unerkannte Infektionen, lokal abgegrenzte Entzündungen oder Mikroverletzungen können zu genau solchen chirurgischen Befunden führen.

All diese Ursachen sind medizinisch gut dokumentiert, lange bevor E-Zigaretten überhaupt existierten.


Warum normales Dampfen solche Schäden nicht erzeugt

Um ein Gewebe so aussehen zu lassen wie auf dem Bild, bräuchte es Prozesse, die E-Zigaretten schlicht nicht auslösen:

  • Lunge wird nicht schwarz – weder durch Vapes noch durch Zigarettenrauch. Die Idee der „schwarzen Raucherlunge“ ist selbst ein Mythos aus Abschreckungskampagnen.
  • PG/VG erzeugt keine nekrotischen Gewebeklumpen.
  • Nikotinsalz führt nicht zu Gewebeverfall.
  • Akute toxische Zerstörung würde völlig anders aussehen und wäre sofort lebensbedrohlich.
  • Chronische Schäden durch Dampfen würden diffus auftreten, nicht als abgegrenztes, kompaktes Gewebestück.

Das gezeigte Material ist also kein „zerstörtes Lungenfragment“. Es ist eine Operationsentnahme, wie sie seit Jahrzehnten Standard ist bei Teenagern mit wiederkehrenden Lungenkollapsen.


Woher kommen dann die sensationsgeladenen Schlagzeilen?

Die Mechanismen dahinter sind immer die gleichen. Ein emotionaler Einzelfall wird aufgegriffen, zugespitzt und als allgemeine Wahrheit verkauft. Dass dazu ein Foto eines Gewebeklumpens reicht, zeigt, wie bereitwillig das Publikum, aber auch manche Influencer, einfache visuelle Erklärungen akzeptieren.

Es ist die gleiche Masche, die schon bei anderen Kampagnen funktionierte: Man zeigt ein extrem provozierendes Bild, gibt ihm eine simple Ursache – und ignoriert die medizinische Realität. Der Fall King reiht sich sauber in diese Tradition ein.


Wie man solche Fake-Informationen zuverlässig erkennt

Wer nicht auf diese Art von Desinformation hereinfallen möchte, sollte auf einige grundlegende Warnzeichen achten.

Das erste ist die fehlende medizinische Einordnung. Wenn Bilder ohne klare pathologische Befunde präsentiert werden, ist immer Vorsicht angesagt. Ein echtes medizinisches Ergebnis wird durch Berichte, Diagnosen oder wissenschaftliche Dokumentation gestützt – nicht durch einfache Behauptungen.

Ein zweites Warnsignal ist der Übertrag eines Einzelfalls auf die Allgemeinheit. Ernsthafte Medizin spricht nie in Form von „So sieht die Lunge jedes Dampfers aus“, sondern beschreibt Wahrscheinlichkeiten, Mechanismen und Variationen.

Das dritte Warnzeichen ist die Unglaubwürdigkeit der physiologischen Behauptung. Wenn eine Story medizinisch nicht nachvollziehbar ist – etwa wenn angeblich drei Jahre Dampfen zu Schäden führen sollen, die selbst jahrzehntelanges Rauchen nicht hervorruft –, stimmt etwas nicht.

Und zuletzt: Emotionale Sprache ist fast immer ein Symptom von Manipulation. Wenn die Formulierung stärker wirkt als die Fakten, ist es wahrscheinlich ein konstruiertes Narrativ.


Was bleibt, wenn man den Mythos entkernt

Am Ende handelt es sich beim Fall LeeRay King höchstwahrscheinlich um genau das, was Chirurgen seit Jahrzehnten regelmäßig bei Teenagern behandeln: einen wiederkehrenden spontanen Pneumothorax, möglicherweise begünstigt durch genetische oder anatomische Faktoren.

Der entfernte Gewebeklumpen ist kein Beweis für „zerstörte Dampferlungen“, sondern ein Standardbefund einer thoraxchirurgischen Behandlung. Die Story, die daraus gemacht wurde, ist hingegen ein Paradebeispiel dafür, wie schnell Einzelfälle für Agenda-Setting missbraucht werden.

Die Wahrheit ist wesentlich unspektakulärer – aber dafür medizinisch korrekt:
Dieses Gewebe stammt aus einer OP, nicht aus einem Vape-Mythos. Und wer das Bild als Beleg gegen E-Zigaretten verkauft, betreibt Desinformation, nicht Aufklärung.

Thomas Frohnert aka Steamshots ist leidenschaftlicher Dampfer, Technik-Enthusiast und Betreiber von steamshots.de. Seit über zehn Jahren setzt er sich intensiv mit dem Thema Dampfen und Harm Reduction auseinander. Auf seinem Blog teilt er fundierte Einblicke, ehrliche Reviews und praxisnahe Tipps rund um Aromen, Hardware und aktuelle Entwicklungen der Branche. Sein Ziel: Aufklärung ohne Hype – sachlich, verständlich und mit einem persönlichen Touch.

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