Die Dampf-Welt vom 23. bis 29. März 2025: Großbritannien dreht durch, Chile klärt auf, Australien kollabiert
Wenn es um E-Zigaretten geht, kann die Welt offenbar nur zwischen zwei Extremen pendeln: totale Kontrolle oder mutige Aufklärung. In dieser Woche erleben wir beides – und alles dazwischen. Großbritannien verabschiedet ein radikales Gesetz, das eine Generation nikotinfrei machen soll, bleibt aber gleichzeitig pragmatisch mit dem Swap to Stop-Programm. Chile wird zum Hoffnungsträger Lateinamerikas in Sachen Harm Reduction. Und Australien? Dort gibt es ein bitteres Fazit: Der Prohibitionismus ist gescheitert – mit Ansage.
🇬🇧 Großbritannien: Der große gesetzgeberische Rundumschlag
Am 26. März wurde im britischen Unterhaus der Tobacco and Vape Bill in dritter Lesung verabschiedet – mit einer satten Mehrheit von 366 zu 41 Stimmen. Der Gesetzentwurf stammt ursprünglich von Ex-Premier Rishi Sunak und wurde von Keir Starmers Labour-Regierung fast unverändert übernommen.
Was steht drin?
- Ein Verkaufsverbot von Zigaretten an alle, die ab dem 1. Januar 2009 geboren wurden.
→ Ein sogenanntes „Generationenverbot“, das die nächste Generation rauchfrei machen soll. - Ausweitung von Rauchverboten auf bestimmte Außenbereiche, etwa in Parks, mit Ausnahme von Gastgärten und Hotelanlagen.
- Neue, strengere Vorschriften für E-Zigaretten, darunter:
- Einschränkungen bei Aromen
- Einschränkungen beim Verpackungsdesign
- Werbebeschränkungen
- Einführung einer Händlerlizenz für den Verkauf von Tabak- und Vape-Produkten, ein Vorschlag der UKVIA zur Bekämpfung des Schwarzmarktes.
Aber! Trotz des harten Kurses wurde im Parlament mehrfach betont, dass E-Zigaretten weiterhin als wichtiges Mittel zur Rauchentwöhnung gelten. Der Balanceakt: Regulieren, ohne das Prinzip der Schadensminimierung über Bord zu werfen.
🇬🇧 Walsall (UK): E-Zigaretten gratis dank Swap to Stop
Während in Westminster Gesetze verabschiedet werden, wird in Walsall ganz pragmatisch gearbeitet: Die Stadt beteiligt sich aktiv am Programm Swap to Stop.
Was passiert konkret?
- Erwachsene Raucher erhalten kostenlos E-Zigaretten, um ihnen den Umstieg zu erleichtern.
- Die Initiative ist Teil des nationalen Plans zur „Smoke-Free Generation bis 2030“.
- Gary Flint, Stadtrat für Gesundheit, betont: „Nikotin ist nicht das Problem – die Verbrennung ist es.“
- Auch Nadia Inglis, Leiterin des öffentlichen Gesundheitswesens, verweist auf die wissenschaftliche Beweislage: Mit Beratung und E-Zigarette sei der Rauchstopp deutlich wahrscheinlicher.
Einfach, klar, wirksam. Während der Staat reguliert, bieten Kommunen konkrete Hilfe an. So geht praxisnahe Gesundheitspolitik.
🇨🇱 Chile: Pioniergesetz für E-Zigaretten mit 45 mg/ml-Grenze
Chile stellt sich gegen den Trend der restriktiven Lateinamerika-Politik und führt als eines der ersten Länder der Region eine umfassende und wissenschaftlich fundierte Regulierung für E-Zigaretten ein.
Was enthält das neue Gesetz?
- Offizielle Anerkennung von E-Zigaretten als Werkzeug zur Schadensminimierung.
- Erlaubt informative Werbung für risikoreduzierte Produkte.
- Legale Nutzung für Erwachsene, mit Altersgrenze zum Schutz Minderjähriger.
- Nikotingrenze bei 45 mg/ml – deutlich über dem EU-Grenzwert (20 mg/ml).
Chile hebt sich damit von Ländern wie Argentinien, Venezuela oder Mexiko ab, wo weiterhin Verbote herrschen – mit mäßigem Erfolg. Die Raucherquoten liegen dort bei 17 % bis 23,1 % – und zeigen, dass Verbote nicht automatisch zu weniger Rauchern führen.
Stattdessen orientiert sich Chile an erfolgreichen Modellen wie in Großbritannien, Schweden oder Japan und setzt auf Regulierung statt Repression.
🇦🇺 Australien: Der Preis der Prohibition
Wenn man ein Musterbeispiel für gescheiterte Vape-Politik sucht, muss man nicht lange suchen: Australien liefert es in dieser Woche frei Haus.
Zwei Wissenschaftler – James Martin (Deakin University) und Edward Jegasothy (University of Sydney) – veröffentlichen in der renommierten Fachzeitschrift Harm Reduction Journal eine schonungslose Bilanz:
Die ultra-restriktive Politik Australiens hat mehr geschadet als genutzt.
Was lief schief?
- Zugang zu E-Zigaretten nur über Apotheken
- Pflicht zur vorherigen Registrierung und teurer Beratung
- Einschränkungen bei Aromen und Nikotinstärke
- Früher: Rezeptpflicht
Die Folgen:
- Ein riesiger Schwarzmarkt, der nicht nur die öffentliche Ordnung gefährdet, sondern auch zu nicht kontrollierten Produkten führt.
- Weniger Rauchstopp-Erfolge, da Raucher entmutigt werden oder gar nicht wissen, wie sie legal an E-Zigaretten kommen.
- Stigmatisierung der Dampfer, statt sie als Teil der Lösung zu betrachten.
Die Autoren fordern ein radikales Umdenken: Weg von der Kriminalisierung, hin zu einer evidenzbasierten Regulierung.
Fazit: Drei Wege, drei Realitäten
Diese Woche zeigt, wie unterschiedlich Länder auf die Frage reagieren: Wie umgehen mit Nikotin und E-Zigarette?
- Großbritannien fährt zweigleisig: ein hart reguliertes Zukunftsgesetz – und gleichzeitig ein aktives, lebensnahes Rauchstopp-Programm.
- Chile erkennt offiziell an, was viele wissen: E-Zigaretten sind ein Werkzeug zur Schadensminderung – und stellt dafür einen rechtlichen Rahmen bereit.
- Australien bleibt ein abschreckendes Beispiel für Überregulierung und zeigt, dass gute Absichten ohne Praxisbezug katastrophale Folgen haben können.
Bis zur nächsten Woche – bleibt dampfend, bleibt kritisch, bleibt menschlich.